Schneverdingen. In einer beeindruckenden völlig frei gesprochenen Rede in der Schneverdinger Peter- und Paul- Kirche sprach sich am Donnerstagabend der 75jährige frühere SPD-Parteivorsitzende und Ex-Minister, Franz Müntefering, klar gegen eine aktive Sterbehilfe aus, wie sie u.a. in Holland und in der Schweiz möglich ist. Müntefering plädierte dafür, das Sterben genauso wie das Leben anzunehmen und nicht zu verdrängen. Dazu gehöre auch das rechtzeitige Nachdenken über das eigene Ende im Kreise der Familie. Die Hospizbewegung auch bei uns im Heidekreis, die Palliativ-Medizin und das rechtzeitige Abfassen einer Patientenverfügung stellten wichtige Hilfen bereit, die man nutzen müsse.
Auf Einladung der Stiftung der evangelischen Peter- und Paul- Gemeinde und des SPD-Ortsvereins Schneverdingen konnte Pastor Dieter Klingbeil Müntefering zusammen mit fast 300 Besuchern herzlich begrüßen. Der frühere Minister verwies darauf, dass unsere Gesellschaft das Sterben aus dem täglichen Leben völlig verdrängt habe, dies sei in der Generation seiner Eltern noch völlig anders gewesen. Viele heute 40jährige hätten noch nie einen Toten gesehen und Trauer, Weinen und auch Verzweiflung nicht kennen gelernt, es sei aber wichtig damit umzugehen, weil nur so die Ängste vor dem eigenen Ende verringert werden könnten. Müntefering erinnerte daran, dass in Deutschland jährlich rund 850.000 Menschen stürben, nach den vorliegenden Zahlen sei bei rund 1000 Sterbefällen jährlich mit erheblichen Komplikationen zu rechnen. Im Übrigen gebe es seit den 80iger Jahren eine Halbierung der Selbsttötungen in Deutschland. Es sei also falsch, das menschliche Ende als Katastrophe darzustellen, die man selbstbestimmt beherrschen müsse. Im Bundestag werde zur Zeit über verschiedene Gesetzesformulierungen debattiert wie ein Rechtsrahmen für die letzten Tage und Monate eines Menschen gestaltet werden könne. Er habe die Hoffnung und kämpfe auch dafür, dass es eine straffreie „Tötung auf Verlangen“ bei uns nicht geben werde.
Franz Müntefering nannte aber auch gute Bespiele zur Gestaltung eines aktiven Alterns. Er lobte ausdrücklich die Leistungen der ehrenamtlichen und professionellen Pflegeorganisationen und konstatierte, dass die gesellschaftliche Anerkennung nicht nur durch die viel zu geringe Entlohnung bisher völlig unzureichend sei. Nach einer kurzen Diskussionsrunde bedankte sich Dieter Möhrmann für den SPD-Ortsverein bei Franz Müntefering für seine Bereitschaft, nach Schneverdingen zu kommen. Müntefering hat durch sein Engagement das Thema „Sterben in dieser Zeit“ in die aktuelle Diskussion gerückt und hat Recht mit seiner Aussage:“ Denen, die für Hilfe beim Töten sind, sollten wir das Wort Sterbehilfe nicht überlassen.“