SPD schlägt Flüchtlings- Integrationskonzept und Basisworkshops für Heidekreis vor
Bisher ist die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und die Erstbetreuung Dank des unermütlichen Einsatzes vieler Ehrenamtlicher und der örtlichen Mitarbeiter in Landkreis und Kommunen im Heidekreis gut gelungen. Nun geht es aber um die Umsetzung der Integration. Die Idee der SPD-Kreistagsfraktion für den Heidekreis ein Integrationskonzept mit Maßnahmenplan zu erarbeiten und Basis-Workshops für ehrenamtliche Flüchtlingsbegleiter anzubieten, ist auf Zustimmung der übrigen Fraktionen des Kreistages gestoßen.
„Wir freuen uns, dass unser Vorschlag positiv aufgenommen wurde, passt er sich doch auch gut in das von der Bundes-SPD entwickelte 12-Punkte-Programm für Zusammenhalt und Integration in Deutschland ein“, erklärte Fraktionsvorsitzender Dieter Möhrmann heute gegenüber der Presse.
Die Kreisverwaltung wurde beauftragt, einen Maßnahmenplan zur Integration von Asylbewerbern für den Heidekreis zu erarbeiten. Im Mittelpunkt der Überlegungen der SPD im Heidekreis steht dabei, dass neben den Flüchtlingen in den Notunterkünften zumindest mittelfristig die dezentral untergebrachten Asylbewerber mit dem Status der Duldung oder der Anerkennung in unseren Kommunen leben werden. Diesen Menschen soll neben der schon jetzt praktizierten vorbildlichen Willkommenskultur eine Bleibeperspektive mit einem heidekreisspezifischen Integrationskonzept angeboten werden. “Wir wollen die Integration fördern aber auch einfordern. Integration ist keine Einbahnstraße. Der deutsche Staat und die Zivilgesellschaft leisten viel, damit die Integration gelingen kann. Wir erwarten eine verpflichtende Integrationsbereitschaft und das Kennenlernen, Verstehen, Anerkennen und Respektieren unserer Werte“, so Möhrmann weiter.
Zur Erarbeitung eines Maßnahmenplans sollen schon in anderen Regionen erfolgreich erprobte Konzepte geprüft werden. Nach der Erarbeitung eines Rohkonzepts durch die Kreisverwaltung soll mit den bisher am „Runden Tisch Flüchtlinge Beteiligten“ dann ein heidekreisspezifisches Integrationskonzept erarbeitet und umgesetzt werden.
Weiter hat die SPD die Einrichtung von Basisworkshops „Flüchtlingsarbeit im Ehrenamt“ nach dem Vorbild des Landkreises Rotenburg vorgeschlagen. Dabei geht es um Personen, die ehrenamtlich in der Flüchtlings- und Asylarbeit tätig sind oder in Zukunft sein wollen, aber noch keinen Asylbegleiterkurs absolviert haben. Der Workshop sollte dezentral angeboten werden und eine Dauer von zwei bis drei Stunden haben. Den Teilnehmern wird in komprimierter Form ein grundsätzliches Verständnis der Situation, der Perspektiven und der rechtlichen Rahmenbedingungen von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland und im Kreisgebiet vermittelt. Des Weiteren solle der Workshop über Engagement Möglichkeiten, den Versicherungsschutz für Ehrenamtliche informieren und für die Rolle als „Begleiterin/Begleiter auf Zeit“ sensibilisieren, hieß es abschließend von der SPD.
Ich begleite hier in SVD eine Flüchtlingsfamilie und habe einmal (beispielhaft für wahrscheinlich viele andere KollegInnen) einen Tagesablauf meiner Tätigkeit beschrieben. – Um es vorweg zu nehmen : Schmalspurschnellkurse für Ehrenamtliche über wenige Stunden greifen einfach zu kurz. Denn INTEGRATION sollte eine staatliche Pflichtaufgabe sein, bzw. werden und kann nur marginal an ein Ehrenamt deligiert werden…
Heute Morgen um 8:30 die drei Kids der Fam. Asharif zur Schule abgeholt. In den Tagen davor wurden mit der Grundschule Pietzmoor und der KGS vorbereitend die Formalien zur Einschulung geregelt. Den beiden Jungen wurde der Busverkehr erklärt, so dass sie in den nächsten Tagen selbständig den Buszubringerdienst nutzen können. Die 9jährige Salam habe ich anschließend zur Grundschule gefahren. Im Sekretariat dann mit der Schulleitung Auflistung der benötigten Schulmaterialien. Anschließend Kurzgespräch mit der zukünftigen Klassenlehrerin. Für die bin ich jetzt stets erreichbarer Ersatzvater, da Salams Vater naturgemäß auf längere Sicht ausfällt, mangels Sprachkenntnisse und daher Nichterreichbarkeit. Salam wird schließlich (9:30) in ihre Klasse aufgenommen. Anschließend kläre ich mit Frank Pauleck, welchen Anspruch die Familie hat bezüglich Schulmaterialien. 70 € stehen zur Verfügung. Unbürokratisch wird dann vereinbart, dass ich heute zunächst in Vorlage gehe, um schon mal die nötigsten Schulmittel einzukaufen. Morgen dann bei Pauleck Auszahlung der 70 € an mich. Von ihm dann Vordruck, den der Vater unterschreiben muß, dass er das Geld letztlich erhalten hat für den definierten Zweck. Insgesamt erspart mir dieses Procedere zusätzliche Fahrten (Vater abholen, zu Pauleck fahren, dann wieder zurück nach Langeloh bringen), wobei ich den Einkauf der Materialien sowieso am Hacken hätte, denn die familie versteht nicht, was auf dem Zettel der Schule steht.
12:15 dann wieder Salam von der Schule abgeholt, um sie nach Langeloh zu ihren Eltern zu fahren. Die ersten 2 Tage habe ich mir vorgenommen, die Kleine zur Schule und zurück zu fahren. Ich fand es doch unverantwortlich hart, so ein kleines Kind quasibürokratisch auf Busverbindungen hinzuweisen und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen – in einem ihr völlig fremden Land, nicht die geringste Sprachkenntnis habend und völlig verunsichert, weil Mutter und Vater ihr auch nicht beistehen können.
Am Nachmittag dann Anruf der Klassenlehrerin zwecks weiterer Abklärung von Details. Zu Hause dann Liste erstellt, welche weiteren Schritte hinsichtlich der Beschulung der Kids abzuklären sind :
– Frühstücksbox ist von den Eltern zu organisieren
– Abklärung, ob die Kids Winterklamotten haben (laufen immer noch mit dünner
Sommerbekleidung rum)
– Eltern darauf hinweisen, dass Bekleidung vom Regelsatz zu kaufen ist (soweit
nicht über Kleiderspenden erhältlich)
– Sportsachen müssen die Eltern ebenfalls für die Kids anschaffen
– am Montag wird in der Grundschule mit den Kids Fasching gefeiert. Alle Kids
steuern etwas zum großen Buffet bei. Die Eltern sollten auch etwas für Salam
vorbereiten.
– Salams Ausweis muß der Schule noch zugeleitet werden
– Salam muß die teilweise bereits eingekauften Schulartikel erhalten.
– Mit den Eltern muß das weitere Procedere im Hinblick auf die Einschulungen
besprochen werden, damit sie informiert sind, wie es in unserem
Schulsystem zugeht.
Bei JAZZ angerufen zwecks Abklärung weiterer Unterstützung. Dort aber nach 3 Anrufen (über den Tag verteilt) keine Erreichbarkeit.
Schließlich Entschluß gefaßt, Dolmetscherin anzurufen, um mit ihr gemeinsam zur Familie zu fahren, damit die genannten Punkte besprochen werden können. Es ist jetzt 17:15. Dolmetscherin ist freundlicherweise einverstanden mitzukommen. Ich hole sie um 17:30 von zu Hause ab. Wir fahren nach Langeloh. Besprechung dort mit der Familie (Hin und Her-Übersetzung in Englisch) dauert ne gute Stunde incl. Teebewirtungszeremonie. Fahre anschließend Übersetzerin wieder nach Hause. Danach Heimweg. Es ist 19:15, als ich ich zu Hause bin.
Bei nem guten Wein dann überlegt, was ich da eigentlich mache. Mache ich zuviel / mache ich es nicht strategisch geplant genug/ muß ich mich noch besser organisieren / muß ich andere Helfer einbeziehen/ bin ich da völlig überzogen plötzlich auf dem Trip der Mitmenschlichkeit/ nehme ich der Familie zu viel ab und verfestige damit ihre Unselbständigkeit ??? Fragen, die sich – je länger ich nachdenke – langsam zu plausiblen Erklärungen aufdröseln :
NEIN – ich mache nicht zu viel. Ich mache genau das Notwendige, was man machen muß um diesen Menschen einen möglichst schnellen und reibungslosen Start hier im Lande der vollmundigen Willkommenskultur (was für ein Wortschwulst) zu ermöglichen. JA – ich habe es schon optimal geplant und durchgeführt. Klar hätte ich auch der Familie klarmachen können, dass sie persönlich für die Einschulung der Kids sorgen müssen und wäre dann raus gewesen. Aber wie zynisch wäre das denn gewesen, wohl wissend, das da 0 Sprachkompetenz und 0 Kenntnis der notwendigen organisatorischen Zusammenhänge. Für die Stadt war die Angelegenheit damit erledigt, dass sie formell die Kids an den Schulen gemeldet hat. Deren Möglichkeiten sind da auch am Ende. Doch wie geht es dann weiter ?. Wer kümmert sich um alles Weitere ? Die Stadt ist nicht mehr zuständig. Die Schule läuft den Eltern auch nicht hinterher – währenddessen die Kinder zu Hause im abgelegenen Langeloh mit den Eltern Frust schieben, weil sich nix bewegt und sie auch nicht wissen, wie sie in irgendeiner Weise Einfluss nehmen könnten. Klar, könnte ich andere Helfer versuchen, noch zu mobilisieren. Aber das erledigt sich von selbst, denn ich wüßte niemanden, der nicht in ner ähnlichen Zwickmühle steckt wie ich : Du hast Dich entschlossen, Flüchtlinge „zu begleiten“ und bist plötzlich in einem Sog der Notwendigkeiten und Erfordernisse und stämmst plötzlich Gewichte, die du dir so wahrhaftig nicht vorgestellt hast. Ich bin nun mal keine Verwaltung mit definierten Sprechzeiten und klar umrissenen Zuständigkeiten und einem Gesetzeskontext der für alles eine (theoretische) Lösung hat. Ich bin an der Front, sehe wo’s brennt und sehe die Notwendigkeit zu reagieren und zwar JETZT und nicht weitergeschoben auf andere, die es evtl. schon richten werden – oder auch nicht.
Und ich denke weiter nach über das, was wir Integration nennen. Mir wird deutlich, dass eine Integration nur mit professionellem Handeln zu bewerkstelligen ist. Die vielen Helfer können keine Sozialarbeit machen. Damit sind sie überfordert. Kleiderspenden und Kaffeenachmittage für Flüchtlinge zu organisieren ist das eine (Notwendige), das andere ist eine dezidierte soziale Unterstützung, die gerade am Anfang dringend benötigt wird, um die richtigen Weichen für eine gute Weiterentwicklung/ Integration der Betroffenen zu stellen. Und damit stellt man auch langfristig die Weichen für einen SOZIALEN FRIEDEN zwischen den Kulturen.
Ich glaube, das wird in der Endkonsequenz von den politisch Handelnden viel zu wenig bedacht. Mit einer angemessenen Versorgung über Regelsätze und Unterkünfte ist es leider nicht (mehr) getan. Wenn wir die Menschen sich im Wesentlichen selbst überlassen, haben wir auf kommunaler, wie auf Bundesebene in absehbarer Zeit genau die Probleme mit Flüchtlingen am Hals, vor denen uns gewisse abseitige rechtslastige Strömungen (und das sog. gesunde Volksempfinden) vehement warnen !
Was will ich damit sagen ? INTEGRATION hat grundsätzlich professionelle und damit planbare Hilfen zugrunde zu legen. Das Ehrenamt ist zusätzlich wichtig und unverzichtbar. Das Ehrenamt ist aber überfordert, wenn es Leistungen erbringen soll, die kaum leistbar sind – aus Zeitgründen, aus persönlichen und beruflichen Gründen. Ein überfordertes Ehrenamt macht in dieser Form auf Dauer müde. Die Motivation läßt nach. Nicht wenige ziehen sich irgendwann zurück.
Die Politik ist daher gefragt ! Und die Frage die sich stellt, ist zentral die : WAS IST ES UNS WERT, WENN WIR ZUSÄTZLICHE MITTEL BEREITSTELLEN FÜR EINE ANGEMESSENE UND LANGFRISTIG WIRKSAME FLÜCHTLINGSHILFE ? Das bedeutet Schaffung zusätzlicher Planstellen im Haushalt incl. der Bereitstellung entspr. Sachmittel. Es geht also künftig um Prioritätensetzung und da kann es im konkreten Fall schon mal die Frage sein, ob jetzt die Anschaffung eines digitalen Baumkatasters wirklich im Vordergrund kommunalpolitischer Überlegungen stehen muß, oder doch eher eine zu professionalisierende Flüchtlingshilfe !
Ich denke, es wäre die vielzitierte Investition in die Zukunft – in eine Zukunft guten und konstruktiven Zusammenlebens in den Gemeinden, die sich auszahlen wird. Das ist leider kein Investment, welches sich verzinst. Es gibt aber eine „soziale Verzinsung“, die sich irgendwann nachhaltiger auszahlt, als eine monetäre. Und dafür sollten wir rechtzeitig sorgen. Integration in unserem Lande ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kostet Geld. Wahrscheinlich viel Geld. Wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass die Flüchtlingsproblematik auch in den nächsten 10 Jahren noch die Politik dominieren wird…
Morgen früh geht es weiter. Um 7:15 Salam abholen, damit sie pünktlich um 7:30 in der Schule ist. Nächsten Montag dann das Busprocedere mit ihr behutsam einstielen, damit sie hoffentlich ab Mittwoch flügge ist, um alles irgendwie alleine zu regeln. Ach ja – danach dann zu Pauleck wegen der 70 €. Am Nachmittag dann wieder Salam einsacken und dem Vater den Vordruck vom Amt zur Unterschrift vorlegen, den dann in der nächsten Woche Herr Pauleck wieder erhält…
Guten Tag Herr Ruttkowski,
Ihren langen Beitrag zur Integration und zu Ihrer ehrenamtlichen Arbeit habe ich mit großem Interesse gelesen – und als ich durch war, ist mein Respekt noch weiter gestiegen vor all denen, die sich engagieren und sich nicht auf die Fährte all derer begeben, die den Untergang des Abendlandes fürchten. Es gibt große Probleme zu bewältigen; bei uns in Schneverdingen scheint es bis jetzt aber noch genug Menschen zu geben, die anpacken, organisieren, Familien begleiten etc etc. Ein digitales Baumkataster scheint da tatsächlich vielleicht aus der Zeit gefallen… Die Zusammenarbeit mit unserer Stadtverwaltung erlebe ich bis jetzt (als Mitglied des Leitungsteams der KGS) als zielführend und pragmatisch. Dennoch: Ohne Ihre tolle Arbeit und Ihr großes Engagement würden wir mit Sicherheit noch größere Probleme haben.
Haben Sie herzlichen Dank für Ihren Beitrag und für Ihre Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen – A. Staack
Hallo Herr Rutkowski,
vielen Dank für Ihren Kommentar auf unsere Homepage zum Thema „Flüchtlings-Integration bei uns muss gelingen“. Ihren Kommentar habe ich an unseren Partei- und Fraktionsvorstand, in Schneverdingen weitergeleitet.
Ich möchte Ihnen im Namen der SPD Schneverdingen ausdrücklich für Ihr Engagement danken.
Auch unser Bundestagsabgeordneter, Lars Klingbeil, hat für Ihre Anstrengungen im Hinblick auf die Integration sein Lob ausgesprochen. In Berlin wird derzeitig über hauptamtliche Strukturen diskutiert. Dort und vor Ort sind solche Erfahrungsberichte wichtig. Es war gut, dass Sie sich die Zeit dafür genommen haben.
Vielleicht wird die Familie mit der Zeit immer selbständiger und Sie können sich etwas zurücknehmen, damit Ihr Engagement auch weiterhin erhalten bleibt. Das wäre uns sehr wichtig. Würde es von Vorteil sein, wenn die Familie zentral in Schneverdingen untergebracht wäre?
Kleine Anmerkung zum Baumkataster. Die Anschaffung ist wie in vielen anderen Kommunen erst in einigen Jahren geplant. Hier geht es auch in erster Linie um den Beweis der Verkehrssicherungspflicht.
Über eine bessere Unterstützung der Ehrenamtlichen werden wir auch bei uns in der SPD sprechen. Bringen Sie sich weiter ein.
Viele Grüße
SPD Schneverdingen
PS: Ihren Erfahrungsbericht verlinke ich auf unserer Facebookseite (SPD Schneverdingen), wenn Sie dies nicht wünschen, dann teilen Sie mir das bitte mit.